Am morgigen Donnerstag, 25.9.2014 steht die Beratung der Stellungnahme zum Hirntod und Organentnahme des Deutschen Ethikrates auf dessen Tagesordnung seiner nichtöffentlichen Sitzung.
Eine Abkehr, Einschränkung oder Relativierung des Hirntodes als Entnahmevoraussetzung für die Organentnahme ist aus verschiedenen Gründen nicht zu erwarten. Die Liste der Mitglieder des Deutschen Ethikrates und deren bekannte weiteren aktuellen wie früheren Tätigkeiten auch im System der Organspende und Transplantationsmedizin und ihrer Entwicklung und dabei eingenommenen Positionen zum Hirntodkonzept ist nur einer der Gründe.
Über die Akzeptanz des Hirntodes als Entnahmevoraussetzung, wie sie nach seit 1.12.1997 geltendem Transplantationsgesetz normiert ist, kann sich jeder persönlich seine Meinung bilden und Entscheidung treffen, ob er als Sterbender den Hirntod als Zäsur für die Spende seiner Organe und Gewebe und welcher davon oder welcher nicht akzeptieren und dokumentieren möchte.
Dafür aber bislang nicht ausreichend und angemessen gesichert ist die Hirntoddiagnostik. Es sollte nachdenklich stimmen, dass und wieviele Mediziner (hier zum Beispiel ein Beitrag zu der Zahl amerikanischer Neurologen) selbst diese nicht als Tod des Menschen akzeptieren. Und wieviele der Sicherheit der Hirntoddiagnose ver- oder misstrauen oder auch eine fachliche Aus- und Weiterbildung fordern oder wie im Frühjahr diesen Jahres in einem offenen Brief an die Bundesärztekammer „Strengere Richtlinien für die Hirntodbestimmung – Höhere Qualifikation der Ärzte, die den Hirntod feststellen dürfen“ fordern.
Zum Thema auch:
- Aus aktuellem Anlass: Hirntod – Wann ist der Mensch tot?
- A survey of American neurologists about brain death: understanding the conceptual basis and diagnostic tests for brain death
Bemerkenswert auch die Studie von Schaller/Kessler , nach der von 113 Probanden, bei denen der Hirntod nach den Vorgaben der BÄK durchgeführt worden sei, 2 Patienten überlebten. 2 von 113 Probanden. Sichere Hirntoddiagnostik selbst bei besonders genauem Blick auf diese im Rahmen einer Studie? Was sagt das aus über die Sicherheit der Hirntoddiagnostik ausserhalb der Untersuchungen im Rahmen einer Studie?
Diese finden Sie übrigens hier:
Noch bemerkenswerter aber die dessenungeachtet anhaltende Parole von Bundesärztekammer wie Bundesgesundheitsministerium, kein einziger Patient sei je nach einer korrekt durchgeführten Hirntoddiagnose wieder aufgewacht und habe überlebt, die zeitlich NACH dieser Studie 2009 abgegeben wurde. Kennt das Bundesgesundheitsministerium diese nicht? Wenn nein: Warum nicht? Wenn ja: Wieso wird dann behauptet, es sei weltweit kein solcher Fall bisher je bekannt?
Sehenswerte Beiträge zur behaupteten Sicherheit sind unter anderem diese Videos:
- 30% Falsche Hirntod-Diagnosen
- Eine Hirntod – Fehldiagnose aus Deutschland
- Hirntod-Fehldiagnosen: Ein weiterer Fall aus Deutschland
- Bei Silvia Matthies , seit 1980 für ARD, ZDF, ARTE tätige Fernsehjournalisting, finden Sie ausserdem hier eine Sammlung von weiteren Links und Informationen zum Thema “Hirntod”, die sehens- und lesenswert ist, um sich eine eigene Meinung zur Frage des Hirntodes zu bilden.
Aktuell ethisch brisante Fragen wären die der Inklusion oder Exklusion von Menschen mit Behinderungen bei der Entscheidung über die Aufnahme auf die Wartelister zur Nierentransplantation, die sich nicht erst seit dem Fall des türkischen Kindes am Klinikum Giessen stellt und zwischenzeitlich gerichtlich anhängig wurde. Dort soll Berichten zufolge ein Vergleich geschlossen worden sein, dessen Inhalt Fragen aufwirft, soweit die Rede davon ist, man habe sich darauf geeinigt, dass das Kind von anderen Ärzten untersucht werden könne.
Darauf muss man sich weder gerichtlich, noch vergleichsweise einigen – es steht Eltern eines Patienten schliesslich jederzeit rechtlich frei, sich andere Ärzte und ein anderes Transplantationszentrum zu suchen und dorthin zu wechseln.
Wie andere Ärzte, Ärzte anderer Transplantationszentren aber bei Einhaltung der (wie es stets heisst) für alle Patienten wie Zentren gleich bindenden und geltenden Richtlinien bei der Entscheidung zur Aufnahme auf die Warteliste zu einem anderen Ergebnis kommen können bei unveränderter medizinischer Situation, wäre abzuwarten. Und würde rechtlich wie medizinisch und für die Richtlinien der Bundesärztekammer interessante weitere Fragen nach sich ziehen. Auch wäre die Begründung jedes anderen transplantationszentrums dann höchst hörens- und lesenswert, mit welcher ein solches anderes Transplantationszentrum von der Entscheidung der Uniklinik Giessen abweichend den Jungen auf die Warteliste setzen würde.
Eine Begründung, die eine Aufnahme auf die Warteliste bei einem anderen TPZ zulässt unter Einhaltung der gleichen Richtlinien für die Wartelistenaufnahme, die auch für das TPZ Giessen gilt; Richtlinien, die es der Uniklinik Giessen gerade unmöglich machten und machen, diese Aufnahme vorzunehmen.
Eine solche Begründung wäre mit äusserster Spannung zu erwarten und zu lesen.
Zum Fall des kleinen Patienten Muhammet Eren Dönmez im Kinderherzzentrum des UKGM Gießen dort zuletzt die PM der Uniklinik Giessen vom 4.9.14 hier. Und zum Gerichtsprozess u.a. hier.
Es gibt in der Tat eine Reihe ethisch, vor allem aber rechtlich interessanter Fragen. Sie werden auch nach der Sitzung des Deutschen Ethikrates und mit seiner dort nichtöffentlichen Beratung seiner Stellungnahme zum Hirntod und zur Organentnahme weiter bestehen.
Und verdienen mehr und vertiefter Betrachtung und Diskussion. Öffentlich.
Mit einem Like allein zu posts ist das Thema Organspende und seine vielfältigen Fragen und Probleme nicht lösbar. Auch wenn dieser Eindruck von Befürwortern, die gern und leicht den Gutmenschen für sich in Anspruch nehmend dies suggerieren wollen. Nicht wenige, die unter diesen kaum 5% dessen an Wissen rund um das Thema haben, um anderen vorschreiben oder auch nur Ratschläge geben zu können, geschweige denn Information und Aufklärung zu dem Thema. Ein Thema, das erheblich vielschichtiger ist als allein in schwarz-weiss-Kategorien spaltbar, ob Menschen hilfsbereit oder nicht seien, zu egoistisch, „nach ihrem Tod“, anderen noch helfen zu können und wollen, damit ihnen nach einem Hirntod bereits als Sterbende Organe und Gewebe entnommen werden können.
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Der Ethikrat hat sich zum Themenkreis der Organspende, Hirntod und Transplantation in verschiedenen Stellungnahmen et.al. positioniert, hierzu nachfolgend eine Zusammenstellung dazu verfügbarer Links.
Veröffentlichungen des Deutschen Ethikrates zum Thema
- Wer bekommt ein Organ? Zuteilungskriterien in der Transplantationsmedizin im Streit
In: Infobrief, Dezember 2013 - Der Hirntod als Ende des menschlichen Lebens?
In: Infobrief, April 2012
Veranstaltungen des Deutschen Ethikrates zum Thema
- Hirntod und Organentnahme. Gibt es neue Erkenntnisse zum Ende des menschlichen Lebens?
Forum Bioethik, März 2012 - Äußerungspflicht zur Organspende. Sollte der Staat verlangen, dass sich jeder erklärt?
Forum Bioethik, Oktober 2010
Sitzungen des Deutschen Ethikrates zum Thema
- Wer bekommt ein Organ? Zuteilungskriterien in der Transplantationsmedizin im Streit
Plenarsitzung, September 2013 - Jochen Taupitz: Aktuelle Debatten um die Spende von menschlichen Zellen, Gewebe und Organen
Trilaterales Treffen der Nationalen Ethikräte Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands, Dezember 2009
Pressemitteilungen des Deutschen Ethikrates zum Thema
- Deutscher Ethikrat befasst sich mit Verteilungskriterien in der Transplantationsmedizin
Pressemitteilung, September 2013 - Die Frage „Wann ist ein Mensch tot?“ beschäftigte den Deutschen Ethikrat
Pressemitteilung, März 2012 - Ethikrat diskutiert Äußerungspflicht zur Organspende
Pressemitteilung, Oktober 2010
Sonstige Dokumente
- Nationaler Ethikrat: Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland
In: Infobrief, Juni 2007 - Nationaler Ethikrat: Die Zahl der Organspenden erhöhen – Zu einem drängenden Problem der Transplantationsmedizin in Deutschland
Stellungnahme, April 2007 - Enquete-Kommission: Sachstandsbericht der Themengruppe „Transplantationsmedizin“
In: Bericht über den Stand der Arbeit, September 2005 - Enquete-Kommission: Kurzfassung des Zwischenberichts „Organlebendspende“
In: Bericht über den Stand der Arbeit, September 2005 - Enquete-Kommission: Organlebendspende
Zwischenbericht, März 2005 - Nationaler Ethikrat: Zwischen altruistischer Spende und Produkt
In: Infobrief, Dezember 2004
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2014-08/transplantation-herzzentrum-berlin-manipulation-vorwuerfe?utm_source=twitter_all
http://www.3sat.de/page/?source=%2Fnano%2Fmedizin%2F178691%2Findex.html
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