Für Organentnahme demnächst nur noch Stoppuhr erforderlich?

Option ohne Pflicht © Liz Collet

Option ohne Pflicht © Liz Collet

Eine Stoppuhr genügt demnächst, wenn man den hier zitierten Worten von Höfling glauben müsste. Vertrauensbildend ist das, was da immerhin von dem Vorsitzenden der Ethikrat-Arbeitsgruppe Tod, Sterben und Organtransplantation Kölner Staatsrechtler Wolfram Höfling formuliert wird mitnichten. Und eigentlich ist es eine Bodenmine mitten in die bei einigen Krankenkassen in diesen Tagen und teils zuvor gestarteten Aufklärungsmassnahmen, mit denen um mehr Organspenden geworben wird. Bei den ab 16-jährigen. Während die 14jährigen Versicherten, die bereits einer Organspende widersprechen, aber noch nicht zustimmen können von diesen Aufklärungsmassnahmen nicht erreicht bzw unterrichtet werden durch die Krankenkassen. Ein seit Inkrafttreten des TPG 1.12.1997 von mir bereits kritisierter Aspekt, an dem schon seit 15 Jahren evident ist, dass es nicht um ergebnisoffene Aufklärungen und ergebnisoffene Entscheidungen und Respekt vor dem Willen zur oder gegen Organspende geht, sondern um eine Instrumentalisierung des Menschens nur auf Zustimmung gerichteter Aufklärung.

Mitten in diese Aufklärungsmassnahmen der Krankenkassen, die nach den Skandalen umso mehr um (neues) Vertrauen werben wollen und sollen aber dann die Äusserung Höflings. Die ist ein fataler Schuss nach vorn und geht nach hinten los. Als ganz und gar nicht vertrauensbildend.

Ganz im Gegenteil – weder die Formulierung, noch der Sache nach lässt sich das noch so wohlwollend interpretieren.  Was – erneut Menschen und deren Wert instrumentalisierend vor dem Hintergrund einer deutlich zurückgehenden Zahl an Spenderorganen – geäussert wird.

Fragwürdig nicht zum ersten Mal die rein pro Organspende-Ressourcengewinnung orientierten Änderungen en passant der Spenderzahlen und ihrer Fluktuation. Nicht zum ersten Mal fragwürdig, dass und welche Rolle man dem Ethikrat hierzu einräumt, die per se schon diskussionswürdig ist. Erstaunlich auch, die Position von Höfling selbst, der das Hirntod-Konzept als kritikwürdig ansah.

„Der Sterbeprozess selbst aber ist dem Leben zuzurechnen. Das Mindeste jedenfalls, was sich im Blick auf einen Hirntoten feststellen lässt, ist, dass prinzipielles Nichtwissen darüber besteht, ob er den Sterbeprozess bereits abgeschlossen hat. Dann aber gilt als verfassungsrechtliches Gebot: In dubio pro vita.”

So noch in seiner Stellungnahme bei einer Anhörung vor dem Ausschuss für Gesundheit am 27. Juni 1995 in Bonn vor dem Inkrafttreten des TPG am 1.12.1997.   In einem Artikel der FAZ bezeichnete er die Hirntodregelung als Entnahmekriterium als ein „Glanzstück juristischer Trickserei“: Die Abgeordneten hätten  eine Organentnahme nach dem Hirntod erlaubt, ohne zu sagen, dass der Hirntod den Tod bedeute, und zwar eben weil der Hirntod nicht dasselbe sei wie der Tod.

Wären die bisherigen Äusserungen seiner Rechtsauffassung noch dahingehend zu verstehen, dass es ihm dabei (auch und in erster Linie) um den Schutz des potentiellen Organspenders gehe, bei dem der Hirntod nicht als Entnahmevoraussetzung gelten dürfe, müssen die nun in diesem Beitrag zitierten Pläne milde formuliert verwundern. Zwar ist auf den ersten Blick damit scheinbar weiterhin der Hirntod von ihm abgelehnt. Was er aber stattdessen (und als Vorsitzender der Arbeitsgruppe des Ethikrates zum Thema) verlangt und nun zur Voraussetzung machen will, wird keinen besseren Schutz der potentiellen Organspender bewirken. Das müsste er eigentlich wissen, wenn er eine Änderung der Kriterien für die Todesfeststellung bei potenziellen Spendern fordert. Und dies konkret mit dem Thema des Kriteriums des Herz-Kreislauf-Stillstands. Erhofft werde – so Höfling –  davon eine Steigerung des Organaufkommens, wie man dies auch in anderen Ländern etwa für Nieren beobachten könne.

„Vereinfacht gesprochen, gilt ein Mensch dann als postmortaler Organspender, wenn sein Kreislauf eine bestimmte Zeit, etwa zehn Minuten, still steht.“

Katastrophal in 2 essentiellen Punkten dieses einen Satzes.

  • Die derzeitigen , stets als besonders sicher betonten Diagnoseverfahren und Voraussetzungen für die Feststellung des Hirntodes nach den Richtlinien der Bundesärztekammer und durch zwei (eigentlich) besonders geschulte Ärzte, unabhängig voneinander und nach zu dokumentierenden Protokoll wären mit dieser Äusserung ersetzbar durch eine simple Stoppuhr in der Hand eines (zweier?) anwesender Ärzte, die nur noch stoppen müssten die Dauer der Herz-Kreislauf-Stillstandes. „10 Minutes to Organspende“? Wie praktisch, wenn man den Menschen nur noch die Funktion einer Stoppuhr erklären müsste. Anstatt den Hirntod, was dieser bedeutet, warum Menschen noch atmen und Herzschlag haben, Reflexe usw. oder wie der Hirntod und wie er SICHER und nachweislich diagnostiziert wird und von wem. Anstatt Fragen aufzuwerfen, warum Organentnahmen erfolgen konnten, obwohl ein Hirntodprotokoll unauffindbar war und blieb, das aber angeblich vorgelegen habe. Wenn es plötzlich doch genügen soll, wenn ein Patient 10 Minuten nicht mehr atmet und keinen Herzschlag mehr hat? Und nur noch eine Stoppuhr dazu erforderlich wäre?
  • Und noch fataler die Äusserung „gilt ein Mensch dann als postmortaler Organspender, wenn……“. Er „gilt als“ ? Gab es da nicht noch ein paar andere Voraussetzungen? Ausweis, Zustimmung, eigenen Zustimmung, erweiterte Zustimmung durch Angehörige in seinem Sinne und und und….? Die Formulierung Höflings im Artikel des Focus nun aber klingt nach Widerspruchslösung und Organentnahme nach 10 Minuten Herz-Kreislauf-Stillstand, wenn kein Widerspruch des Organspenders. vorliegt gegen die Organentnahme. „Gilt als, wenn nicht……“ Kein nachweislicher, kein nachgewiesener Widerspruch. Des Organspenders selbst. Denn 10 Minuten nach Herz-Kreislauf-Stillstand wären kaum Angehörige vor Ort, in der Lage sich zu äussern zur Organspendebereitschaft des nicht mehr atmenden Angehörigen. „Gilt als……….Organspender“
  • Derzeit gilt in Deutschland der Hirntod, der irreversible Ausfall aller Gehirnfunktionen, als Hauptkriterium für die Organentnahme. Die diskutierte neue Kategorie heißt – so die Äusserung Höflings –  fachlich non-heart-beating donors, Spender ohne Herzschlag. Gerade diese wird aber seit langem und unverändert als höchst kritikwürdig angesehen. Die Organentnahme bei sogenannten „Non-heart-beating donors“ (NHBDs) ist ethisch noch heftiger umstritten, als die Hirntod-Theorie. In Deutschland ist sie und war die Organentnahme von NHBDs  auch verboten. Laut dem Transplantationsgesetz dürfen einem vermeintlich herztoten Organspender nur dann Organe entnommen werden, wenn seit dem Herzstillstand mindestes drei Stunden vergangen sind oder bei der betroffenen Person zusätzlich der Hirntod diagnostiziert wurde. Bundesärztekammer und die Fachgesellschaften für „Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung“, „Neurologie“ und die „Deutsche Transplantationsgesellschaft“ haben sie  in der Vergangenheit abgelehnt. In einer gemeinsamen Stellungnahme aus dem Jahr 1998  „Organentnahme nach Herzstillstand“ heißt es unmissverständlich

„Ein Herz- und Kreislaufstillstand von zehn Minuten bei normaler Körpertemperatur ist bisher nicht als sicheres ,Äquivalent zum Hirntod‘ nachgewiesen worden und kann deshalb nicht die Todesfeststellung durch Nachweis von sicheren Todeszeichen ersetzen.“

Und : Zwischen einer „biologisch unmöglichen Reanimation“ und einer Wiederbelebung , die abgebrochen oder unterlassen wurde, müsste unterschieden werden. Eine „biologisch unmögliche Reanimation und damit der irreversible Herzstillstand kann bisher weder durch die Dauer noch durch andere Kriterien als die sicheren Todeszeichen nachgewiesen werden.“

Sicher tot sei der „Herztote“ nicht bereits mit dem Ende des Herzschlags,  sondern erst dann, wenn er die „sicheren Todeszeichen“ aufweist.  Diese seien nicht mit einem 10-minütigen Herz-Kreislauf-Stillstand gegeben und daher nicht ausreichend.

Bis aber die „sicheren Todeszeichen“ nach Herz-Kreislauf-Stillstand eintreten, wären Organe unter anderem wegen der Ischämizeit für die jeweiligen Organe nicht mehr zur Transplantation geeignet. Diese reine Zweckbestimmung ist und war ja gerade der Grund für die Hirntod-Regelung, um früher, nicht erst mit dem Tod, sondern bereits im Sterbeprozess Organe zur Transplantation entnehmen und verwenden zu können.

Ohne jeden Vergleich fragwürdig umso mehr, wenn nun ausgerechnet vom Deutschen Ethikrat und dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe non heart beating donors als Forderung erhoben wird, ————ersichtlich allein zum Zweck der Steigerung der Organspendezahlen gegen das gesunkene Vertrauen, gegen die bestehenden Bedenken der Bürger. Und entgegen der noch 2012 von Nagel als Mitglied des Ethikrates erfolgten Ablehnung der NHBD-Organspende

Die nunmehrige Forderung danach kann daher – nicht zum ersten Mal – als nichts anderes gewertet werden, als einen erneuten Versuch, Mängel des Systems der Organspende und Transplantation und ihrer Akteuere und die mit Recht bestehende Bedenken der Menschen und ihres Vertrauensverlustes durch weitere, nicht vertrauensbildende, sondern schlicht das bestehende Recht umgehende Massnahmen und Forderungen zu unterlaufen und zu verbiegen. DAS Recht, das die Akteure der Organspende und der Transplantation, die Mediziner wie die Institutionen und die Bundesärztekammer selbst federführend gestrickt haben und wie es seit 1.12.1997 als TPG und in ihren eigenen Richtlinien der BÄK und in den Verträgen mit DSO und Eurotransplant gilt.

Die Frage, warum sie seit 15 Jahren nicht in der Lage sind, mehr Vertrauen zu gewinnen, ist nicht durch fragwürdige Wechsel der Voraussetzungen für das  Organ Harvesting zu lösen und zu beantworten. Sondern mit vielen Fragen an die Beteiligten und die Transplantationsmedizin und ihre Kontrollorgane. Für diese Fragen schulden sie indessen unvermindert Antworten und geeignete „Masterpläne“.

Die Organentnahme mit der Stoppuhr ist dazu keine  medizinisch geeignte, keine vertrauensfördernde, keine ethisch akzeptable und am allerwenigsten eine rechtlich zulässige Option.

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Über Liz Collet

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