Heute im Bundestag: Interfraktioneller Antrag zu nichtinvasiven Pränataltests

Kinderwunsch, Sterilisation, Refertilisation, Familienplanung, Hoffnung © Liz Collet

Hoffnung © Liz Collet

Von bemerkenswert lautem Schweigen begleitet steht im Plenum des Bundestages heute ein Thema auf der Tagesordnung, das nach schrill-buntem und aktivistisch unüberhörbarem Streiten für Toleranz, Akzeptanz von Personengruppen für deren Selbstbestimmung zu Lasten von Rechten von Frauen und vulnerablen Minderjährigen, aber auch Eltern durch Einschränkungen der verfassungsrechtlichen Eltern- und Erziehungsrecht umso vernehmlicher auffallen sollte. Geht es doch um den Schutz des Lebens gegen Selektion als nicht lebenswerten Lebens, die nicht nur aus historischen Gründen in Deutschland und nicht nur im 75. Jahr der Geltung der Verfassung rechtlich, ethisch und moralisch grösstmöglicher Achtsamkeit und Bedenken würdig sein sollte. Mehrere derzeitige Gesetzespläne der Bundesregierung fallen in höchst befremdender Weise allein schon durch ihre zeitliche Koinzidenz ebenso auf, wie durch sehr selektive öffentliche Thematisierung ihrer geplanten Regelungen bereits in den jeweiligen Gesetzes-Themen für sich und nebeneinander und zeitnah miteinander auf.

Dazu gehört die zunächst selektiv „nur“ über die Legalisierung der Abtreibung von den beteiligten Ministerien und folgend Medien wie sozialen Medien-Kanäle erfolgten Presse-Posts über den vorgelegten Bericht der von der Bundesregierung vor einem Jahr beauftragten Expertenkommission, ohne über die im selben Bericht behandelten Fragen der Leihmutterschaft und Eizellspende und deren Legalisierungsmöglichkeiten zu berichten.

Erst nach Insistieren auf auch deren Inhalte (nicht nur, aber unter anderem durch mich) wurde der zunächst nicht einmal auf der Webpräsenz der Bundesregierung oder der jeweiligen Ministerien schliesslich der betreffende Bericht der sog. Expertenkommission thematisiert und auch als Link (zum Download inhaltlich für Bürger) zugänglich gemacht.

Ein solches zeitlich selektives Vorgehen

(das en passant bereits hier angemerkt auch bei einem weiteren Gesetzesvorhaben der Bundesregierung bzw. des Gesundheitsministers erneut und gravierend auffällt, dazu mehr in weiteren Beiträgen von mir in Kürze)

hat ein Gschmäckle. Und zwar besonders in Zeiten der in Politik wie Medien nur allzu bekannten kurzen Aufmerksamkeitsspanne der Öffentlichkeit, die von Meldungen ohnehin schon oft genug nur Headlines von Presse, Medien und sogar Tweets und Posts zur Kenntnis nimmt, diese bewertet und kommentiert, ohne selbst verlinkte Beiträge und deren vollständigen Inhalt gelesen zu haben. Filtern Regierung und deren Ministerien dann noch ZUSÄTZLICH bereits vorweg einen Teil der Themen eines Gesetzes oder eines Expertenberichts aus – hier Abtreibungs-Legalisierung als berichtetes Thema, während Leihmutterschaft und Eizellspende sang- und klanglos unerwähnt bleiben – kann man nicht nur, man muss dies als nicht zufällig, sondern bewusst und absichtlich so fokussierend und damit ablenkend von den kritikwürdigeren Inhalten und Ergebnissen und damit weiteren Schritten ansehen und bewerten. Dabei ist es populistisch und populärer, Stimmen mit einer vorgeblich Frauenrecht stärkenden Legalisierung der Abtreibung zu heischen und zu sammeln, während die Leihmutterschaft und Eizellspende gerade deren Rechte wie die der ungeborenen und geborenen Kinder und der auf Eis liegenden „Reserven“ weiterer Kinderwunsch-Realisierung in höchstem Maße gefährden, beeinträchtigen und als Menschenhandel bereits kategorisiert sind.

Dass Abtreibung rein zufällig damit verbunden legalisiert werden soll, ist für kaum jemanden  glaubhaft, wenn die Leihmutterschaft und Eizellspende zeitglich und in ein und demselben „Expertenbericht“ behandelt werden im Auftrag der Regierung, für welche Abtreibung nicht wunschgemässer, weil nicht dem gewünschten Geschlecht oder Anforderungen an Gesundheit und Nichtbehinderung entsprechender Embryonen und Ungeborener erleichtert und legalisiert sein solle. Dass darauf die Regelungen abzielen sollen, kann niemand verkennen, der sich mit den Inhalten von Vereinbarungen der Leihmutterschaft in jenen Ländern befasst, in die bislang jene „Interessenten“ gehen, die sich auf die „Reise“ der Leihmutterschaft unter Ausbeutung zweier Frauen und deren Körpern und Gesundheit machen (eine als Eizellspenderin, eine als Leihmutter) und denen die Regierung die Leihmutterschaft im Inland zu ermöglichen sucht. Dies ist bereits frag- und kritikwürdig genug aus einer Vielzahl verfassungs- und anderer rechtlicher Gründen, wie auch moralischen, ethischen und gesellschaftlichen, aber auch vor allem medizinischen Aspekten. In der Linie dieser Vorhaben kann und muss man – diesem Zweck offenkundig dienend – auch ein weiteres Vorhaben sehen, das HEUTE im Bundestag im Plenum auf der Tagesordung steht: 

Der Bundestag berät am heutigen Mittwoch, 24. April 2024, erstmals über einen interfraktionellen Antrag von 121 Abgeordneten von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und der Gruppe Die Linke mit dem Titel „Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests – Monitoring der Konsequenzen und Einrichtung eines Gremiums“ (20/10515). Im Anschluss an die rund 45-minütige Aussprache soll der Antrag zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen werden.

Die 121 Abgeordneten fordern, die Folgen der Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) systematisch auszuwerten. Nach der Einigung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sei der NIPT seit Juli 2022 eine Kassenleistung, sofern die Schwangere zusammen mit der Gynäkologin zu dem Schluss komme, dass der Test notwendig sei.

Jedoch regele der G-BA weder in den Mutterschaftsrichtlinien (MuRL) noch in der „Versicherteninformation Bluttest auf Trisomien/Der nicht invasive Pränataltest (NIPT) auf Trisomie 13, 18 und 21“ ausreichend klar, wann dieser Bluttest zur Anwendung kommen sollte.

Es sei zu befürchten, dass den Schwangeren unabhängig von einer medizinischen Relevanz empfohlen werde, den NIPT vornehmen zu lassen, auch damit sich Ärzte absichern können. Dies könnte dazu führen, dass der Test so regelmäßig angewendet werde, dass es faktisch einer Reihenuntersuchung gleichkomme.

Einerseits zeige die wissenschaftliche Auswertung zur Versicherteninformation des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), dass die Mehrheit der Befragten angebe, sich frei für oder gegen den Test entscheiden zu können. Jedoch empfänden etwa 30 Prozent der Befragten die Versicherteninformation als klare Empfehlung zugunsten des Bluttests. Andererseits verließen sich vermehrt Schwangere nach einem negativen NIPT-Ergebnis darauf, dass sie ein gesundes Kind gebären werden und verzichteten etwa auf das Ersttrimesterscreening.

Die Abgeordneten fordern in ihrem Antrag ein Monitoring zur Umsetzung und zu den Folgen der Kassenzulassung, um zeitnah belastbare Daten zu verschiedenen Aspekten erheben und auswerten zu können.

Zudem sollte ein interdisziplinäres Expertengremium eingesetzt werden, das die rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Kassenzulassung des NIPT prüft.

Die Beratung des Tagesordnungspunktes wird in der heutigen Plenumssitzung des Bundestages LIVE übertragen ab 16.30 Uhr (laut Tagesordnung)

Besondere Brisanz gewinnt die Frage auch vor dem Hintergrund, dass Eltern oder Elternteile behinderter Kinder in den letzten Jahren selbst als Generation ein Alter erreicht haben, bei dem sich die Frage drängender denn je stellt, ob und wer bei ihren eigenen altersbedingten und damit gesundheitlich zunehmenden Einschränkungen die Betreuung und Pflege ihrer bereits erwachsenen Kinder übernehmen und gewährleisten wird, erst recht nach ihrem Tod als Eltern oder eigener etwaiger Pflegebedürftigkeit. Dass es heutzutage nach Jahrzehnten von Inklusions- und Gleichstellungsregeln noch SOLCHER Protesttage für Behinderte bedarf, spiegelt symptomatisch welche Belastungen erst recht Pflegebedürftige und behinderte minderjährige wie erwachsene Kinder und deren Eltern als Pflegepersonen täglich erleben.

Die von der Bundesregierung ungelösten Probleme der Pflege und Betreuung verschärfen diesen Aspekt und das Risiko der Selektion pränatal als nicht mehr gesund diagnostizierter Ungeborener zusätzlich. Der „Push- und Anreiz-Effekt“, der in einer zur Reihenuntersuchung geratenden pränatalen Diagnostik liegen kann, kann nicht ausser Betracht bleiben.

Dies ist um so dringlicher, als parallel eine gesellschaftliche Banalisierung und „Normalisierung“ des „Rechts auf selbstbestimmtes Sterben“ und assistierten Suizid in europäischen Nachbarländern wie Belgien und Niederlanden längst weit über ursprüngliche Gründe finaler, schwerster Erkrankungen hinaus geht und sogar für Minderjährige und bei Gründen wie (Angst VOR in double sense) Alzheimer, Demenz, Parkinson, Erblindung, Armut, Sorge der eigenen Belastung für Angehörige in finanzieller und pflegender Hinsicht u.a. legal ist – und in einem Umfang jährlich steigend realisiert wird, der bedenklich zu konstatieren ist.

Hinzu kommt ein erschreckender Grad der Utilitarisierung an Suizid vielleicht nur mal Denkender oder Williger zum Zweck der Steigerung der Zahlen von Organspenden, die in Leitlinien gegossen spiegelt, mit denen logistisch der assistierte Suizid so organisiert wird, dass eine bestmögliche Verwendung der Organe des Suizidpatienten gesichert werde. Spanien hat unlängst erst im Bericht der Organización Nacional de Trasplantes | ONT und des spanischen Gesundheitsministeriums unverhüllt und hemmungslos die Zahlen derer genannt, deren Suizid die guten Organspenderaten auch zu danken seien.

Binnen 3 Jahren erntete also ONT und leben Empfänger in Spanien, weil Organe durch STERBEHILFE von 249 Patienten gewonnen und genutzt wurden. Wohlgemerkt neben der dortigen exzessiven Ausweitung der Lebendspende bis hin auch unter Nichtangehörigen und in Pool-Lösungen. Trotz bereits erheblicher Lebendspende-Raten und Widerspruchslösung plus Organentnahme nicht nur nach „Hirntod“, sondern DCD (Tod nach Herz-Kreislauf-Stillstand).

Letztere Entwicklung in Spanien (das nicht zum Eurotransplant-Verbund gehört) und in Niederlande und Belgien (ET-Länder) ist meiner Meinung nach zweifellos der Grund, warum Lauterbach neben der exzessiven Befürwortung von Widerspruchslösung nun auch die nach dem Transplantationsgesetz (TPG) hierzulande verbotener anonymer Lebendspende und Über-Kreuz-Spende sogar unter Wegfall der Subsidiarität der Lebendspende Tür und Tor ohne Rücksicht auf die guten Gründe des TPG für die bisherige Regelung und Folgen öffnen will. Die rücksichtslose Ausweitung der Verfügbarmachung körperlicher Unversehrtheit von Nicht-Angehörigen und Nichtpatienten durch Lebendspende ohne Subsidiarität gegenüber „postmortal“ gespendeter Organe, zudem ohne Angehörigen- oder sonstiges Näheverhältnis, unter Fremden und beliebigen Dritten und durch „Pool-Lösungen“ oder mehrere „beteiligte Paare“ ist nicht nur ein Verstoss gegen grundsätzliche Regel nihil nocere, sondern die Bankrotterklärung eines Gesundheitsministers und der Bundesregierung in der Gesundheitspolitik der Transplantationsmedizin und der Organspende: Denn diese zusätzlich aufgepropften weiteren Pläne Lauterbachs decouvrieren, was ich seit rund 25 Jahren prognostiziere und auch unter Transplantationsmedizinern längst bekannt ist:

Die Widerspruchslösung ist nicht geeignet, den Organbedarf zu decken oder auch nur in massgeblicher Weise zu mildern, sie ist schlicht schon nicht geeignet – von anderen Aspekten wird noch zu reden sein.

Dass aber Lauterbach ausgerechnet in zeitlicher Koinzidenz seiner Krankenhausreform mit den finanziellen Überlebensdebatten von Kliniken und mit nicht erreichten Mindestmengen-Voraussetzungen von Transplantationszentren (wie z.B. das TPZ Rostock, das 2023 nicht zum ersten Mal bei Leber-Tx die Mindestmenge nicht erreichte) nun daher kommt mit einer exzessiven Ausweitung der Lebendspende MUSS zu denken geben und Einhalt gebieten solcher Ausweitung: Anders als bei der Transplantation von Organen von Spendern nach sog. „Hirntod“ und der Behandlung nur des Empfängers des Organs und damit in Kliniken abrechenbarer Kosten dafür, verdoppeln sich mit der Lebendspende bei jedem Lebendspende-Fall die Kosten um den Lebendspender. Und Lebendspender sind bereits jetzt einem Appell zur Spende an den Angehörigen ausgesetzt, dem sich nicht jeder entziehen kann. Schon gar nicht durch Schweigen zur Frage einer Organspende im Falle seines sog. „vollständigen Hirnfunktionsausfalls“  („Hirntod“). Angesichts der (nicht erstmals) verfehlten Mindestmenge bei Leber-Tx am TPZ Rostock, die zulassungsrelevant als Transplantationszentrum ist, bilden Sie sich Ihre Meinung, wie überzeugend die vor diesem Hintergrund erhobenen Forderung u.a. der Gesundheitsministerin Mecklenburg-Vorpommerns nach der Widerspruchslösung wirklich im Interesse von Patienten und potentiellen Organspendern oder nicht vielleicht eher im Interesse des Standorts einer Klinik ist, die als Transplantationszentrum einen erheblichen wirtschaftlichen (!) Standortwert für ein Bundesland, für Forschung, Wissenschaft und Arbeitsplätze hat und behalten will.

Mit welcher Menschenverachtung schon assistierter Suizid beklatscht wird von sog. Wissenschaftsjournalisten, zeigt sich an Tweets wie DIESEM, in denen der Suizid eines Ehepartners zusammen mit dem Erkrankten gefeiert wird.  

Der Wert des Lebens ist und wird exzessiv und sogar medial schamlos relativiert und utilitarisiert und unter vorgeblichem Etikett wissenschaftlichen Fortschritts auch der Selektion preisgegeben mit immer neuen und weiteren Schritten. DAS macht auch den heutigen Tagesordnungspunkt im Bundestag, der Beratung des Antrages im Plenum brisant und mehr als nur einer Debatte würdig und verdient besonderer Aufmerksamkeit und kritischer Diskussion nicht nur im Gesundheitsausschuss, an den der Antrag überwiesen werden soll.

Über Liz Collet

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