BVerwG: Keine Erlaubnis für Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung

It’s all in Your Hands © Liz Collet

Es gehört zu den schwierigen Abwägungsentscheidungen gegenüber dem Wunsch von Menschen, denen zeitlebens das Selbstbestimmungsrecht hoch galt, besonders beim Wunsch zur Selbsttötung noch frei entscheiden zu wollen und können, ein Nein auszusprechen.

Eine solche Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht heute in den Zulassungsrevisionen von zwei Patienten getroffen, über deren Anspruch und Klagen ich HIER vorab berichtete. Es kann nicht übersehen und ignoriert werden, welche überragenden und vorrangigen Belange und Gründe zur Versagung des Anspruchs auf den Erwerb des Betäubungsmittels sprechen müssen – mit Blick auf die betroffenen Patienten, wie auch für ihr Umfeld und die Allgemeinheit.

Gerade auch Patienten, die geltend machen, zwar NOCH nicht den Suizid begehen zu wollen (weil es ihnen NOCH nicht so schlecht gehe), aber ein Mittel parat haben wollen, wenn der Zeitpunkt für sie komme, sind schutzbedürftig gegen dann von anderer Seite für sie möglicherweise drohender Entscheidungen an ihrer Stelle und ohne ihr Wissen, wenn ein verabreichbares Mittel geradezu auf dem Tablett verfügbar und serviert ist im Haushalt.

Wer die Rechtsentwicklung und Praxis der Sterbehilfe schon beim assistierten Suizid unter Beteiligung von Ärzten in Nachbarländern verfolgt, kann nicht ohne Sorge bleiben, was erst an unkontrollierbaren Risiken für Suizid in Betracht ziehenden, aber noch nicht vollziehen wollenden Patienten selbst besteht.

So werden in den Niederlanden und Belgien bereits Richtlinien angewendet, die im Fall eines assistierten Suizids sicherstellen sollen, dass dessen Organe bestmöglich einer Organtransplantation nützen. Wer diese Richtlinien genau liest, kann die Prioritäten zulasten des „Organspenders“ nicht übersehen. Und vor allem nicht ohne Sorge sein angesichts der Fälle, in denen dort ein assistierter Suizid möglich ist weit über den Bereich schwerstkranker oder final Erkrankter hinaus für psychische oder depressive Erkrankungen, Alzheimer, Parkinson oder Angst vor Erblindung und andere Fälle. Die Auswertungen der Kontrollgremien dort haben Fälle von Nichteinhaltung der erforderlichen Voraussetzungen festgestellt. In Belgien wurde im Parlament sogar beschlossen, dass es kein Mindestalter für Kinder geben solle.

Aktuelle Tagungsprogramme zur Sterbehilfe tendieren in aufmerksam zu beachtender Weise dazu, anstelle von „Ob oder Ob nicht“ den nächsten Schritt schon vor diesen ersten zu rangieren mit „Wie und Wer“ soll es machen? 

Und damit Zuständigkeiten und Berechtigung als Verantwortung ohne Haftung zu sortieren, weil ja alles ganz und gar unter dem Postulat des Rechts auf Selbstbestimmung stehe, die auch eigenverantwortlich dafür sei und bleibe, denn kein anderer solle dann rechtlich zur Verantwortung gezogen werden dürfen. Die Gefahren werden dahinter gern diminuiert.

Auch Menschen, die suizidale Gedanken haben und selbst bestimmte Entscheidungen anstreben, sind zu schützen vor falschem Mitleid (Erlösung durch Tod), falsch verstandener „Assistenz“ beim Suizid und falscher Sinnsuche für den Patienten oder sich selbst (mit Organspende hat sein Tod noch Sinn, für den Angehörigen oder anderen Dritten bleibt dies und der Trost) und last not least ganz und gar nicht altruistischen Motiven oder Vorteilen ganz irdischer und materieller Art.

Dass andere dieses Mittel womöglich sogar entziehen oder planwidrig an anderer Stelle oder gegen andere verwenden könnten, liegt weniger fern, als mancher glaubt. Fälle missbrauchter Vermögens-, Betreuungs- und anderer Vollmachten füllen Akten wie Medien. Ein verfügbares Mittel im Haus, das vermeintlich dann der Sterbewillige auf Vorrat gehabt und eben eingenommen hat, öffnet Gefahren Tür und Tor. Wer dies als Schwarzmalerei banalisieren möchte, sei erinnert daran, dass es bis heute keine grundsätzliche Pflicht zur Obduktion bei jedem Todesfall in Deutschland gibt und wie hoch die Schätzungen von Rechtsmedizinern reichen zur Dunkelziffer unentdeckter Tötungsdelikte. Und an die Fälle von Tötungsdelikten medizinischen Personals an Patienten, die ungeachtet aufgetretener Häufung selbst in Kliniken nicht zu Einschreiten wegen Verdachtsgründen führten, ehe weitere Patienten betroffen waren.

Darüberhinaus gehen von der leichten Zugänglichkeit eines solchen Mittels auch Gefahren für Dritte aus. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung heute diese und weitere wichtige Aspekte und Gründe ebenfalls in die Abwägung einbezogen, die Sie hier in der Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichts en detail nachlesen können.

BVerwG 3 C 8.22:
• Vorinstanzen: OVG Münster – OVG 9 A 148/21, VG Köln – VG 7 K 8560/18
• Parteien: B. ./. Bundesrepublik Deutschland
BVerwG 3 C 9.22:
• Vorinstanzen: OVG Münster – OVG 9 A 146/21,VG Köln – VG 7 K 13803/17
• Parteien: M. ./. Bundesrepublik Deutschland

Quelle: Verfahrensinformation Bundesverwaltungsgericht Stand Oktober 2023

Bild:It’s all in Your Hands © Liz Collet (Nutzungsrechte auf Anfrage möglich)

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