„Schwanger? Da zahlen wir doch gleich mal kein Gehalt mehr ……“

Mutterpass © Liz Collet

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„Schwanger? Da zahlen wir doch gleich  mal kein Gehalt mehr …… – was , DAS soll diskriminierend sein!?!?!?“

…………Der Header „verkürzt“ den Sachverhalt ein bisserl.

Und gleichzeitig bringt er es dennoch irgendwie doch wieder auf den Punkt, wenn man – was Sie gleich sehen werden – die Schlüssigkeit und Glaubhaftigkeit der Arbeitgeberargumentation näher betrachtet. Das wird auch das Bundesarbeitsgericht tun, wo der Fall als Revision inzwischen angekommen ist.

Worum geht es?

Man nehme eine Mitarbeiterin, die bei der Beklagten seit 6. Juli 2010 befristet bis 5. Juli 2012 als Personalsachbearbeiterin beschäftigt war.

Und die klammheimlich gemeinerweise dem Arbeitgeber einen der bösesten Streiche seit biblischen Zeiten und der Erbsünde spielte, wo bereits das eigentlich gesunde Naschen vom Apfel der Erkenntnis schon die Vertreibung aus dem Paradies nach sich zog – sie wurde schwanger. Klammheimlich. Und behielt das offenbar  – erst mal – noch für sich oder hatte diese dem Arbeitgeber jedenfalls noch nicht mitgeteilt, als die beklagte Arbeitgeberin offenbar eines Tages befand, dass selbst das befristete Arbeitsverhältnis zu lange dauern würde.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 18. November 2010 zum 3. Dezember 2010.

Zu diesem Zeitpunkt war die  Klägerin – wie gesagt – bereits schwanger. Sie teilte dies der Beklagten  mit Schreiben vom 22. November 2010 mit. Seit dem gleichen Tag, dem  22. November 2010 bestand ein Beschäftigungsverbot.

Schon beim nächsten Punkt in der Chronologie horcht man auf: Die beklagte Arbeitgeberin forderte die schwangere Klägerin nämlich zu einer betriebsärztlichen Untersuchung auf.

Das mutet in Anbetracht der Tatsache, dass Schwangerschaft und Beschäftigungsverbot im Allgemeinen durch den Gynäkologen ohne weiteres bestätigt werden und derlei Bestätigung eigentlich als Gesundheitszeugnisse  per se nicht Anlass zu Zweifeln und Aufforderungen zur Untersuchung durch Betriebsärzte geben, befremdlich an. Man wundert sich also dabei schon ein bisserl.

Was immer die beklagte Arbeitgeberin von einer solchen betriebsärztlichen Untersuchung erwartet oder erhofft haben mag, jedenfalls bestätigte auch die betriebsärztliche Untersuchung am 22. Dezember 2010 nicht nur die Schwangerschaft, sondern auch das Beschäftigungsverbot.

Bissi dumm gelaufen – könnte man sagen. Wenn man (was hier natürlich niemalsniemandjetunwürde) der Arbeitgeberin eine enttäuschte Hoffnung ins Drehbuch kritzeln wollte. Die sie vielleicht auf den Ausgang der betriebsärztlichen Untersuchung gesetzt haben könnte. Was hatte sie wohl eigentlich erwartet? Dass die Mitarbeiterin eine Schwangerschaft nur vorgab? Dass sie fleissig werkeln könnte und nicht einem Beschäftigungsverbot unterlag? Trotz mutmasslich doch wohl vorgelegter Belege durch den Arzt der Mitarbeiterin? Man kann nur  mutmassen, sich mindestens wundern.

Auch im nächsten Punkt fällt etwas auf: Obgleich die Kündigung am 18. November 2010 zum 3. Dezember 2010 erfolgt war, leistete die Arbeitgeberin bereits die Vergütung für die Zeit vom 22. November 2010 bis Februar 2011 [ zunächst ] nicht mehr.

Die Klägerin erhob Kündigungsschutz- und Zahlungsklage, der Gütetermin blieb erfolglos, nach  außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen „nahm“ die Beklagte die Kündigung mit Schreiben vom 9. Februar 2011 „zurück“.

Juristen und Anwälte schütteln an dieser Stelle bereits augenrollend die das Haupt: Weil sich viel über das Rechtswissen eines Gegners daraus ableiten lässt, der eine Gestaltungserklärung „zurücknimmt“, wie eben die Kündigung. Man kann spekulieren, ob derlei fehlende Basics bei Kündigungen und Gestaltungserklärungen ahnen hätten lassen können, wie wenig logisch und überzeugend dann auch das weitere Vorgehen und Argumente der Beklagten sich erweisen werden, aber beurteilen Sie bitte selbst:

Im Kammertermin vom 5. Mai 2011 erkannte die Beklagte den Kündigungsschutzantrag an, das Arbeitsgericht stellte rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde.

In der Revisionsinstanz macht die Klägerin nun noch eine Entschädigung iHv. drei Monatsgehältern geltend und begründet dies damit, sie sei aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden.

Dies sei daraus zu schlussfolgern, dass

  • die Beklagte an der Kündigung zunächst trotz positiver Kenntnis der Schwangerschaft festgehalten
  • und die Vergütung nicht gezahlt habe.

Die Beklagte bestreitet eine Diskriminierung,

  • weil die Kündigung in Unkenntnis der Schwangerschaft ausgesprochen
  • und im Anschluss an den Nachweis „zurückgenommen“ worden sei.
  • Die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 9 MuSchG sei eine genügende Sanktion.

Immerhin, die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 9 MuSchuG ist inzwischen auch bei der Arbeitgeberin ins Wissenskontingent angekommen und bekannt. Bezeichnenderweise aber als „Sanktion“. Man fühlt sich sichtlich allein durch Schwangerschaft und Mutterschutz und deren Folgen bestraft. Anderenfalls könnte man es beim Begriff der „Rechtsfolge“ des MuSchuG belassen. Böse Sache, das Gesetz. Das MuSchuG. Böse Sanktion für Arbeitgeber. 

Die Wahl der Begriffe allein vielleicht nicht, aber im Kontext des Verhaltens und der Chronologie gibt auch diese ein Bild ab.

Hier werfen wir bei der Argumentation der Beklagten noch einmal einen Blick auf die zeitliche Chronologie:

Die Kündigung war zwar in Unkenntnis der Schwangerschaft ausgesprochen worden, doch eben unwirksam, wie später anerkannt und rechtskräftig festgestellt.

Dennoch hat die Beklagte schon ab 22. November 2010 keine Vergütung mehr bezahlt. Bezeichnenderweise das Datum der Mitteilung der Schwangerschaft und der Wirkung des Beschäftigungsverbotes – nicht etwa erst ab Datum des Wirksamwerdens der vermeintlich wirksamen Kündigung ab 3.12.2010

Die Verweigerung der Vergütungszahlung erfolgte bis einschliesslich Februar 2011. Erst nach Güteverhandlung und aussergerichtlichen Vergleichsverhandlungen erfolgte eine „Kündigungsrücknahme“ am 9. Februar 2011. Kündigungsrücknahme  „im Anschluss an den Nachweis der Schwangerschaft“ wäre allerallerallerspätestens am 22.12.2010 gewesen (als selbst die betriebsärztliche Bestätigung vorlag), die Nachzahlung ebenso dann spätestens nötig und noch noch weitere Verweigerung auch der Vergütung für Januar und Februar 2011.

Aber mit dem Entzug von Wasser und Brot, pardon: Vergütungsauszahlung kann man ja auch Druck ausüben, bis zu gerichtlichen Terminen und für Verhandlungen, gerichtliche oder aussergerichtliche.

Den Entzug des Einkommens während der Schwangerschaft, erst recht während Beschäftigungsverbotes (das in der Regel einen ohnehin belastenden medizinischen Grund hat) ist eine für sich sprechende Verhaltensweise, als mögliches Druckmittel. Einen anderen Zweck kann man nach Chronologie, Sach- und Rechtslage und der späteren eigenen Argumentation der Arbeitgeberin kaum noch daraus erkennen, nicht einmal bei allergrosszügigster Interpretation, warum die Vergütung nicht spätestens mit dem Ergebnis der betriebsärztlichen Untersuchung nach- und ausbezahlt wurde.

Wie war das noch mit dem Sinn und Zweck von Mutterschutzregelungen für schwangere Frauen am Arbeitsplatz?

Die Vorinstanzen haben den Entschädigungsantrag abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihn weiter.

Beim Bundesarbeitsgericht ist derzeit für 17. Oktober 2013 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt.

Man darf gespannt sein, was die Richter dort dazu sagen werden und zu den Formulierungen der Vorinstanz, die offenbar nur mit Blick auf Kündigung bei Schwangerschaft, aber ohne den Blick auf das übrige folgende und aufrechterhaltene Arbeitgebervorgehen, formulierte:

LAG Hamm, Urteil vom 16.05.2012 – 3 Sa 1420/11
„Ausspruch einer Kündigung während der Schwangerschaft“
Leitsatz:
„Allein das Aufrechterhalten einer Kündigung führt nicht zur Vermutung der Diskriminierung wegen eines verpönten Kriteriums, hier des Geschlechts, nur weil sich die Unwirksamkeit der Kündigung aus mutterschutzrechtlichen Bestimmungen ergibt. Das Festhalten an einer unwirksamen Kündigung ist insoweit wertneutral und keinem verpönten Kriterium aus § 1 AGG zuzuordnen.“

Bundesarbeitsgericht – – 8 AZR 742/12
Vorinstanz: LAG Hamm – Urteil vom 16. Mai 2012 – 3 Sa 1420/11, ArbG Siegen Urteil vom 05.05.2011 – 1 Ca 1566/10

Quelle: Termininformation BAG August 2013

Siehe auch Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit Rechtsprechungsübersicht vom 30.6.2013 hier: Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vom 30.6.2013

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