Anwaltsgerichtshof NRW zum Nachweis theoretischer Fachanwaltskenntnisse bei Behinderung

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Spitzenteam © Liz Collet

Die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung setzt (u.a.) voraus, dass der Rechtsanwalt den Erwerb besonderer theoretischer Kenntnisse im Fachgebiet nachweist.

Ein aktuell entschiedener Fall ist lesens- und bemerkenswert, weil er sich nicht nur mit der Frage etwaiger Ausnahmen bei körperlichen Handicaps eines Antragstellers für eine Fachanwaltsbezeichnung befasst, welche der Antragsteller für sich reklamiert. Dass er die Ausnahme für sich beansprucht, weil er ausserstande sei, am Lehrgang teilzunehmen und die Klausuren abzulegen, wirft die Frage auf, warum er zu dieser ausserstande sein will, nachdem er doch wohl Examina abgelegt haben wird, die für die Anwaltstätigkeit generell Voraussetzung waren. Leider geben insoweit die Informationen der Justiz NRW keinen Aufschluss in der Sachverhaltsmitteilung, ob die gesundheitlichen Einschränkungen u.U. erst in der Zeit nach Ablegen der Examina und vor dem Antrag auf Fachanwaltsbezeichnung aufgetreten wären.

Unabhängig davon ist die Entscheidung interessant, weil sie Mängel sowohl der ganz allgemein erforderlichen Kenntnisse eines Anwalts zu Fragen der Darlegungs- und Beweislastgrundsätze im Prozess einerseits und eine stattdessen eigentümliche Auswahl der Nachweise für vermeintlich vorhandene Fachkenntnisse des Fachgebietes decouvriert.  Auch diese stehen – wenn auch nicht formale Antragsvoraussetzungen für die Fachwanwaltsbezeichnung, aber doch in generell fachlicher Hinsicht anwaltlicher Kompetenz – in Widerspruch zu dem, was dann erst recht als „besondere“ theoretische Kenntnisse in den Fachgebieten verstanden werden mag, in denen der Anwalt tätig ist. Und für welche er eine Fachanwaltsbezeichnung beansprucht, die ihrerseits wiederum als „Reklame“ im Wettbewerb um Mandate (und vielleicht auch für weitere seiner Veröffentlichungen?) besondere und  für das rechtssuchende Publikum bessere Fachkompetenz darstellen soll. Für dieses Etikett der Fachwanwaltsbezeichnung wird daher zu Recht ein geregelten Standards und Voraussetzungen genügender Nachweis der besonderen Fachkenntnisse für das Fachgebiet verlangt.

Wollen Sie beim Fachanwalt oder einer Kanzlei von Fachanwälten ein Spitzenteam für besondere Fachgebiete? Oder genügt Ihnen ein „Spitzenteam“ bei der Bescheinigung vorgeblicher besonderer theoretischer Fachkenntnisse?

Welchen Wert ein Fachkundenachweis weniger im Ansehen der Anwälte untereinander und nur noch als Werbetikett für Mandanten nur noch scheinbar qualitativ hätte, wenn es genügen würde und erlaubt würde, sich diese von einem selbst (nach welchen Überlegungen und unter welchen Bedingungen mehr oder weniger, aber nur noch mutmaßlicher Objektivität und Neutralität?) gewähltem, einzelnen Anwaltskollegen pauschal und allgemein bestätigen zu lassen, überlasse ich Ihrer Beurteilung.

Der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse des Fachgebietes wird

  1. in der Regel durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang geführt werden, der die relevanten, in der Fachanwaltsordnung (FAO) genannten Bereiche des Fachgebiets umfasst.
  2. Der Nachweis des Erwerbs theoretischer Kenntnisse außerhalb eines Lehrgangs muss sich ebenfalls auf alle relevanten Bereiche des Fachgebiets erstrecken. Das ergibt sich aus einem Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21.08.2015, welcher die Klage eines Rechtsanwalts auf Verleihung der Bezeichnung „Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht“ abwies.

Nun hat der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen sich erneut mit der Frage des Nachweises der theoretischen Kenntnisse für die Fachanwaltsbezeichnung befasst bei der Klage eines 1948 geborenen Rechtsanwalts aus Wuppertal.

Dieser beantragte 2013 bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, ihm die Bezeichnung „Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht“ zu verleihen, ohne einen auf die Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden Lehrgang absolviert zu haben.

Stattdessen verwies er auf

  • seine Veröffentlichungen, welche seiner Auffassung nach die abverlangten besonderen theoretischen Kenntnisse nachweisen würden,
  • sowie zum Anderen auf eine Schwerbehinderung, die seiner Lehrgangsteilnahme entgegenstünde.

Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf lehnte seinen Antrag ab. Gegen den Bescheid erhob der Kläger beim Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen Verpflichtungsklage, die dort aus folgenden Gründen abgewiesen wurde:

1.

Nachweis aller erforderlichen theoretischen Kenntnisse des Fachgebiets, § 14 l FAO

Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger außerhalb eines Lehrgangs die für die Fachanwaltsverleihung notwendigen theoretischen Kenntnisse erworben habe. Der Kläger habe nicht belegt, dass er über besondere theoretische Kenntnisse in allen in § 14 l FAO genannten Bereichen des Bank- und Kapitalmarktrechts verfüge.

  • Einige Teilbereiche dieser Bestimmung würden von den vom Kläger vorgelegten Veröffentlichungen nicht erfasst.
  • Die in Ergänzung hierzu vorgelegte Stellungnahme einer Anwaltskollegin sei allgemein und pauschal gehalten und bereits deswegen kein geeigneter Nachweis. Die somit in einzelnen Bereichen nicht nachgewiesenen Fachkenntnisse seien auch nicht durch ein mit dem Kläger geführtes Fachgespräch zu ersetzen.

2.

Dispens aus gesundheitlichen Gründen

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers rechtfertigten ebenfalls keinen Dispens im Hinblick auf die Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang mit Klausurenpflicht.

  • Es gebe Fernlehrgänge. Diese könne auch der Kläger absolvieren.
  • Sie seien zwar mit Klausuren abzuschließen, bei denen eine Präsenzpflicht bestehe. Insoweit würden Teilnehmern mit Behinderungen aber – das sei gerichtsbekannt – Schreiberleichterungen eingeräumt.
  • Dass der Kläger auch mit Schreiberleichterungen keine Klausur schreiben könne, habe er nicht vorgetragen.

Anwaltsgerichtshof  des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.08.2015 – 1 AGH 11/14

Quelle: PM Justiz NRW 7.10.2015

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