Lärmschutz gegen kirchliches Gebetsläuten {Der Langquaider Glockenstreit beim VGH}

Save the date © Liz Collet

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Schierling ist nicht nur der Teil des Namens eines berühmt berüchtigten Bechers, welcher toxische Geschichte und Geschichten prägt. Besagter Schierlingsbecher ist die Bezeichnung für den Becher, in welchem sich in der Antike ein Getränk aus dem Saft des Gefleckten Schierlings befand. Dieses wurde bei Hinrichtungen und freiwilligen Selbsttötungen zur Vergiftung verwendet. Der Verurteilte leerte den Becher und führte damit selbst seinen Tod herbei. Legendär wurde der „Schierlingsbecher“  mit der Hinrichtung des Sokrates 399 v. Chr.

Schierling  ist auch ein putziger, kleiner Ort unweit von Laberweinting und Langquaid.  Laberweinting ist jener Ort, wo es passionierte Imker gibt, die ihren Honig sogar Füssener Apothekerinnen so gekonnt, nein: nicht um dem Mund schmieren, aber so schmackhaft machen konnten, dass selbige ihn seit Jahren gern im Sortiment der Apotheke anbieten. Und so gut beratend und informiert darüber plaudern, dass manche ihn – ob nun regional aus dem Ostallgäu oder regional aus Niederbayern – sehr gern  als Marktgangerl-Beute während kleiner Guide-Termine  kaufen. Und bienenflügelig-flugs Fan solcher Imker und Apothekerinnen werden.

Wer Wert auf gute Beratung legt, wird auch künftig weise und klug abwägen, ob ihm nicht nur beim Honig, sondern nach dem Urteil des EuGH auch weiterhin der nicht nur virtuell, sondern real vor ihm ansprechbare Apotheker seines Vertrauens Rat und ggf. mehr Geld wert ist, als Onlinearzneimittelhandel. Bevor neben Bäckern, Metzgern und anderen Einzelhändlern und Vielfalt an örtlich erreichbaren und verfügbaren Händlern und Dienstleistern auch noch Apotheken aufgeben. Mancher redet bereits vom Apothekensterben. Die Alarmglocken läuten und werden laut geläutet. Nach einem schier(lingsbechergleich) als toxisch für die Existenz von Apotheken empfundenen Urteils des EuGH.

Meines Erachtens ist eine solche Haltung so, als würden Apotheker sich selbst einen Schierlingscocktail mischen und bereits den Becher bereitstellen, als nach einem besseren Kraut in ihrem Fundus Ausschau zu halten. In dem  – wie im Recht – gegen viele Krankheiten und unerfreuliche Auswüchse doch glücklicherweise ein Kräutlein und Mittel gewachsen ist. Oder mit rechtlichen Mitteln geschaffen werden kann. Notfalls auf eben gesetzlichem Wege und mit vereinten Kräften.

Guter Rat, auch rechtlicher mag da nun teuer sein nach dem EuGH -Urteil, wie konkurrenzfähig bleiben als Apotheke vor Ort.

Lobbyarbeit im nicht nur pekuniären Interesse maximaler Ersparnis wäre hier im Sinne der Gesundheit ein Strang, an dem Apotheker und Patienten gemeinsam ziehen könnten und sollten. Letztere wären sicher nicht schlecht beraten, den örtlich nächstgelegenen Apotheker nicht nur dann zu bevorzugen, wenn sie nächtens oder zu anderen Notdienstzeiten Hilfe brauchen. Und guter Rat DANN immer gern auch teuer sein darf, weil keine Online-Versandaopotheke so fix derlei Leistung bietet, wie Apotheker, die sich die Nächte dafür um die Ohren schlagen und Wochenenden, um Ihnen – oft genug nicht nur Pillen, sondern gar Windeln und Ähnliches – im Fall der Fälle und Notfalles zu verkaufen.

Schierling nun liegt auch im Markt Langquaid. Und dort läuten nicht nur die Alarmglocken der Apotheker, sondern ein anderer Glockenstreit. Einer, der heute um 10 Uhr mündlich beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verhandelt wird.

Gestritten wird von einem Kläger nach der bereits beim Verwaltungsgericht Regensburg erfolglosen Unterlassungsklage gegen die Evangelisch Lutherische Kirchengemeide Schierling nun in zweiter Instanz. Neben deren vormals bereits bestehenden Gebetsraum  wurde vor einiger Zeit ein knapp 8 Meter hoher Glockenturm neu errichtet, ca. 14 Meter vom Wohnhaus des Klägers entfernt.

Durch das tägliche Gebetsläuten (Montag bis Freitag um 7.00 Uhr für 60 Sekunden; Montag bis Samstag um 12 Uhr sowie täglich um 18 Uhr für jeweils 90 Sekunden) wird am Anwesen des Klägers der für ein allgemeines Wohngebiet geltende Immissionsrichtwert der TA-Lärm von tagsüber 55 dB(A) um 4 dB(A) überschritten.

Das ist dem Kläger seiner Meinung nach nicht zumutbar. Er beruft sich darauf, er sei zuerst da gewesen, genauer: sein Wohnhaus sei früher als der Glockenturm errichtet worden, das Glockenläuten jetzt sei ihm daher nicht zuzumuten.

 Die beklagte Kirchengemeinde  setzt dagegen, das Gebetsläuten sei als herkömmliche Äußerung der grundrechtlich geschützten Religionsausübung hinzunehmen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen dieses Urteil wegen der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen, u.a. hinsichtlich der Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle beim Neubau eines Glockenturms in einem faktischen Wohngebiet.

Heute im Saal 1 des VGH in der Ludwigstrasse 23 wird der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München den Fall mündlich verhandeln.

 

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Eine Antwort zu Lärmschutz gegen kirchliches Gebetsläuten {Der Langquaider Glockenstreit beim VGH}

  1. Liz Collet schreibt:

    Der Termin endete vorläufig mit einem Vergleich, dem der Kirchenvorstand noch zustimmen muss und nach welchem bis 31.3.2017 näher vereinbarte Änderungen zur Reduzierung der Lautstärke der Glocken umzusetzen sind. Im Gegenzug hat die Klägerseite zur Rücknahme sowie mit sogar längerer Läutdauer zu bestimmten Uhrzeiten einverstanden erklärt,

    Laut Vergleich wird der acht Meter hohe Glockenturm der evangelischen Kirchengemeinde von Schierling-Langquaid, der nur etwa 14 Meter vom Wohnhaus der Kläger entfernt steht, im Oberstübchen gedämmt. Die Öffnungen im Nordturm – hin zum Haus der Klägerfamilie Beck – werden mit Holzlatten dicht gemacht. Außerdem sollen im Innern der Glockenstube schallschluckende Matten ausgelegt werden, um die Schall-Spitzen von 86 auf 78 Dezibel herunterzudrücken.

    Im Gegenzug nimmt Familie Beck ihre Einwände gegen einen Flächennutzungsplan wieder zurück, mit denen sie ein Bauvorhaben der Kirchengemeinde blockiert hatte. Und sie stimmt zu, dass die Glocke weiterhin drei Mal am Tag läuten darf: früh, mittags und abends. Und zwar länger als bisher. Statt einer Minute sollen die Glocken nun sogar zwei Minuten läuten. Die Kosten des Verfahrens liegen bei rund 10.000 Euro und werden von beiden Streitparteien je zur Hälfte getragen.

    Der Vergleich ist vorläufig, weil noch der Kirchenvorstand befragt werden muss.
    Dies und mehr dazu HIER

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