Neuer Verdacht bei der Organvergabe

Option ohne Pflicht © Liz Collet

Die Meldungen gehen soeben frisch über die Nachrichtenagenturen und Medien – nach den Vorfällen in Göttingen und Regensburg vor Wochen soll es nun auch Verdachtsfälle im Klinikum Rechts der Isar geben.

An diesen nun – wie man glauben könnte – erstmals auch dort aufgefallenen Unregelmässigkeiten und den Meldungen dazu über die ersten Reaktionen fallen mehrere Dinge auf.

Die wenig dezenten Äusserungen des Präsidenten der Bundesärztekammer, die nicht erstmals seit den Verdachtsfällen in Göttingen und Regensburg gegen die bayerischen Behörden und deren Versagen zielen. Und dann wieder – zum jetzigen Verdachtsfall – bezogen auf die an der Klinik Beteiligten von „menschlichem Versagen“ und nicht von Manipulation sprechen. Obgleich – nach dem bisher bekannt gegebenem eigentlich noch nichts wirklich endgültig geklärt scheint. (Siehe Links am Ende des Beitrages).

Nun ist das nicht wirklich überraschend, wie auf Verdachtsfälle und Vorfälle reagiert wird:

I.

Es sind 3 Grundelemente wiederkehrend zu bemerken:

1. Verbale These und Statements sind: Es gebe keine Manipulationen, es gebe keinen Organspende- und Transplantationsskandal.

2. Es seiauf keinen Fall ein Systemversagen der Organspende und -transplantation, es sei  alles transparent, alles unter Kontrolle, lupengenau und lupenrein.

3. Bei etwaigen bisherigen Verdachts- oder Vorfällen könne daher alles in der Hand der ärztlichen Selbstverwaltung und -kontrolle bleiben (alle anderen sind eh nicht kompetent zu Beurteilung und Prüfung und allenfalls komme Kooperation mit weiteren Kontrollgremien in Frage) , denn alle Kontrollgremien der Bundesärztekammer funktionieren (Überwachungs- und Prüfungskommission) und hätten bisher nur ganz wenige Fälle von Auffälligkeiten registriert, wenn überhaupt seien in den wenigen Einzelfällen dann nur die Behörden (die in Bayern und die Staatsanwaltschaft, etc) schuld, die trotz Meldungen nichts unternahmen oder einstellten. Was genau und wie viel oder vielleicht eher: zu wenig -? – aber die Staatsanwaltschaften und Behörden von der Bundesärztekammer und deren Kommissionen bei den Meldungen von Auffälligkeiten tatsächlich erhielten, ist ein weniger hervorgehobener Aspekt. Aber einer, der interessant wäre. Wenn beispielsweise berichtet wird, zu den Vorfällen in Regensburg seien nur dünne Patientendokumentaitonen zur Verfügung gestellt worden.

Dennoch: Schuld der Ärzte und Personal wird als Einzelfall und heruntergespielt als menschliches Versagen, keine Manipulation und als wäre es eine Petitesse.

Aber: Kein Einzelfall ist bei diesem Thema klein zu reden.

Diese Linie wird dennoch  in wiederkehrender Weise verbal kommuniziert und in der Praxis wie auch gegen weitere gesetzliche Regelungen verteidigt. Und gegen weitere „Eingriffe“ durch Ministerien, Gesetzgeber, Krankenkassen usw.

Warum nun die noch heftiger anmutende Reaktion des Präsidenten der Bundesärztekammer zum neuen Verdachtsfall?

Weil dieser neue Verdachtsfall der bisherigen Argumentationslinie zunehmend den Boden entzieht, die Glaubwürdigkeit und die Validität der Behauptung , dass es bisher alles bis auf die Vorfälle in Göttingen und Regensburg, gesetzmässig und transparent und ausreichend kontrolliert funktioniert habe und weiter werde.

So konnte man – bei Ministerien wie in Baden-Württemberg (denen augenscheinlich für den zurückliegenden Zeitraum die eigenen Auskünfte der Transplantationszentren genügen, dass bei ihnen alles ok war) und sonst und auf Bundesebene  und vermutlich nur zu gern auch vor Tagen im Gesundheitsausschuss des Bundestages – den Eindruck gewinnen, die jüngst im Wege der freiwilligen Selbstverpflichtung vorgesehenen sog. Transplantationskonferenzen und Kontrollen aller  rund 40  Transplantationszentren im Laufe der nächsten 36 Monate seien eigentlich nicht wirklich veranlasst. Und eigentlich nur dazu da, um auch das zu Unrecht geschwächte Vertrauen der Bevölkerung wieder zu stärken.Und zudem werde ja auch für diese wieder alles so (vermeintlich ?) transparent und rechtssicher in Richtlinien normiert.

Und dann ? Dann ergeben sich bereits bei den allerersten neuen Stichproben erneut Verdachtsfälle, kaum dass mit der Mitteilung vom 26.9.2012   die Aufnahme der Kontrollen vermeldet wurde ?

III.

Und das ist umso verwunderlicher und nicht in Einklang zu bringen mit der Arbeit und Ergebnissen der Überwachungs- und Prüfungskommissionen, welche die Bundesärztekammer flugs noch zeitgleich mit dem Krisengespräch mit BMinG Bahr am 27.8.2012 online gestellt hatte. (Siehe hier und dort).Die – bei genauerer Lektüre des darin enthaltenen wie zu vermissenden wirklich interessierenden Aspekte und Fragen mehr Fragen als zufriedenstellende Antworten liefern konnten.

Und aus denen gern die minimale Zahl der blossen Auffälligkeiten im Vergleich zur Gesamtzahl der bisher durchgeführten Transplantationen zitiert wurde. Was den Blick verstellen konnte auf die eigentliche Frage: Wieviele Vorgänge hätte man entdeckt bei welcher Zahl von Kontrollen und welcher Intensität der Kontrollen?

Die verbale Heftigkeit in den ersten Reaktionen und der noch folgenden, die nicht ausbleiben werden für den nun neuen Verdachtsfall und vielleicht noch weiterer Verdachtsfälle oder Auffälligkeiten, die vor einer wirklich substanziellen und umfassenden Prüfung gar nicht ausschliessbar sind, ist somit nicht wirklich überraschend.

Besser als diese Reaktion wäre indessen endlich eine wirklich umfassende Prüfung und Selbsterkenntnis und – kritik der Bundesärztekammer und der weiteren Beteiligten, deren Fehlen ebenso schädlich sind, wie deren Schuldzuweisung an blosse „Einzeltäter“ wie in Regensburg und Göttingen. An Herunterspielen von Schuld, Systemversagen und des  Schadens, der  auch durch solche für Organspende und Transplantationsmedizin für die PATIENTEN entsteht.

Ob und was nach dem nunmehrigen Verdachtsfall sich als dessen Ergebnis erweisen wird, bleibt abzuwarten. Ebenso wie auf die etwaigen weiteren, die im Zuge der Prüfung aller übrigen Zentren nicht auszuschliessen sein werden oder könnten.

Die Tendenz aber im Umgang mit solchen Vorfällen ist unverändert. Und das wird der Organspende mehr schaden, als sich mit möglicherweise neuen und weiteren Verdachtsfällen und etwaigen noch erweisenden Vorfällen bei umfassender Klärung und Überarbeitung von Strukturen und Kontrollen an Vertrauensverlust jetzt noch befürchten liesse. Wo er vielleicht ohnehin kaum noch zu überbieten ist nach dem bisherigen Umgang durch die Beteiligten und ihre Kontrollgremien. Hier aber liegt der Unterschied zwischen Erkenntnissen aus den nunmehrigen Prüfungen und der Erkenntnis und Einsichtsbereitschaft der Beteiligten und ihrer Kontrollkommissionen und der Bundesärztekammer.

Die Lücke zwischen beidem ist öffentlich inzwischen unübersehbar. Auch – und besonders für diejenigen, die Organspende eigentlich – noch – gut fänden.

Option ohne Pflicht © Liz Collet

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