„Du willst Mindestlohn? Die Kündigung kannst Du haben!“

Rechtsweg © Liz Collet

Rechtsweg © Liz Collet

Im Kopfkino von Mitarbeitern, die ihren Job behalten wollen ebenso wie dem von Bewerbern, die einen erhalten wollen, ist das Szenario fraglos verbreitet immer im Hinterkopf:

Wer mehr Geld will, ist unbequem und fürchtet, auf Abschussliste zu geraten und eh mehr Geld nicht durchsetzen zu können. So mancher wagt es daher sicher schon gar nicht.
Dass dies nicht unbegründete Befürchtung ist, zeigt ein Fall, über den nun gerichtlich entschieden wurde.

Wir spielen ein bisschen Drehbuchautor und Regie in berüchtigter Manier, wie unmanierlich die Geschichten im Leben spielen können.

„Äh, Chef, ich hab da mal eine *hüstel* ..also eine Frage. Wegen meinem Lohn. Könnte ich nicht auch bisschen mehr, also wenigstens den Mindestlohn…..?“
„Waaaas!??? (Markiert nahende Herzattacke) Du willst Mindestlohn? Die Kündigung kannst Du haben, wenn Dir das nicht passt!“

Arbeitnehmerbatsch vom Arbeitgeber. Man kann sich ja schliesslich nicht von Lohnsklaven die Gesundheit und den Betrieb und die wirtschaftliche Existenz des Betriebes ruinieren lassen. Und überhaupt, wenn man erst mal den Mindestlohn zahlt, wollen alle ihn und dann noch der Kram mit all den Dokumentationen und so weiter, neee, neee, neee! Wer das einem Arbeitgeber zumutet, fliegt. Batsch!

„Äh, Chef…. ich brauch aber mehr Geld, meine Kindelein nagen. An mir. Und am Hungertuch, wenn…. „
„Raus! Rau-auuuuus! Du bist gekündigt! Hol Dir Deine Papiere ab! JETZT!“

„Chef, das kannst Du doch nicht machen! Dann muss ich Dich doch verklagen! Ich will doch arbeiten. Aber…“
„Mich auch noch verklagen!? Hinfort Du Wurm! Da hilft Dir auch kein Arbeitsgericht“

(Mitarbeiter geht ab. Chef erholt sich erwartungsgemässs behende von der Herzattacke)

Es folgen Klage und Verhandlung. Arbeitsrichter (mit indigniert hochgezogenen Brauen und Subton, der eigentlich der Warnung dienen könnte) zum Arbeitgeber:

Du kündigst Mitarbeitern, die Mindestlohn haben wollen?“
„Und ob! Wo kämen wir denn da hin! Zeigen Sie dem mal, wo der Bartl den Most holt, also…. wer hier was zu regeln hat, was bezahlt wird“
„Aber gern doch!“

(heiterverschmitzte Mimik der Arbeitsrichter).

„Lass Dir nicht noch mal einfallen, Mitarbeiter zu kündigen oder ihnen auch nur damit zu drohen, wenn sie den Mindestlohn bezahlt bekommen wollen! Die Kündigung ist unwirksam. Solche Kündigungen hast Du Dir zu verkneifen, das sind verbotene Maßregelungen nach § 612 BGB. Wir sind hier nicht mehr im Mittelalter, wo man Leibeigene zu Diensten nach Belieben hatte und einen von der Scholle jagen konnte, der nicht spurt oder murrt!“

Arbeitgeberbatsch durch das Arbeitsgericht. Arbeitgeber vergisst vor lauter Schreck eine neue Herzattacke zu mimen.

„Und wenn wir Dich noch mal dabei erwischen, dann sprechen wir nicht nur die Unwirksamkeit der Kündigung aus, sondern verurteilen Dich nach entsprechendem richterlichen Hinweis an von Dir gemaßregelte Arbeitnehmer über entsprechende Anträge gleich noch zur Zahlung des Doppelten des Mindestlohns!“

Spätestens an dieser Stelle sollten Rettungssanitäter im Gerichtssaal postiert werden. Man weiss ja nie, wie die Androhung einer solchen Maßregelung de Luxe aus der Schublade der arbeitsgerichtlichen BATSCHERL-Portfolios auf Arbeitgeber wirken könnte…. und es wäre doch schade, wenn man dann ein Urteil noch auf Rechtsnachfolger umstricken müsste, damit der durch das Urteil glücksbeschwipste Arbeitnehmer auch noch zu seinem Arbeitsplatz und Mindestlohn kommt. Und nicht nur zu Urteil und seinem Recht auf solchen.

Die Dramaturgie ist aus dem Leben, nein …Verzeihung, leider nur aus der blühenden Fantasie gegriffen, ich erliege noch unter dem Eindruck der Märchenstunden des BR der galoppierenden Fantasie des Kopfkinos.

Eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung nach Geltendmachung eines Mindestlohnes als eine nach § 612 a BGB verbotene Maßregelung hingegen ist  aus dem realen Leben gegriffen und gestern vom Arbeitsgericht Berlin  entschieden worden. Der Entscheidung lag folgende Geschichte zugrunde:

  • Der Arbeitnehmer wurde als Hausmeister mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden bei einer Vergütung von monatlich 315,00 EUR beschäftigt, was einen Stundenlohn von 5,19 EUR ergab.
  • Er forderte von dem Arbeitgeber den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 EUR, worauf der Arbeitgeber eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf monatlich 32 Stunden bei einer Monatsvergütung von 325,00 (Stundenlohn 10,15 EUR) anbot.

Nachdem der Arbeitnehmer die Änderung der Vertragsbedingungen abgelehnt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung als eine nach § 612 a BGB verbotene Maßregelung angesehen. Der Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis gekündigt, weil der Kläger in zulässiger Weise den gesetzlichen Mindestlohn gefordert habe; eine derartige Kündigung sei unwirksam.

Eine märchenhaft weise Entscheidung, n’est-ce pas? Über das Entstehen, die Bedeutung von Märchen nicht nur als Mittel der Unterhaltung, sondern eigentlich auch der Erziehung und der Lektionen und auch Hilfe zur Problemlösung für kleine und nicht nur kleine Kindsköpfe Interessantes HIER.

Und btw….. Sie wissen ja: 1. Mai, Maibowle,  Tanz in den Mai …aber auch Walpurgisnacht. Und am 3. Mai dann im Blauen Land wieder Maidult. Heute lassen wir Petrus dafür mit ein bisserl Extraregenwasser Land und Wetter waschen, aber morgen und zur Maidult strahlt es dafür doppelt himmelblau und sonnig über der Staffelseemetropole. Wenn’s kein Märchen ist…. 😉

Quelle (nuuuuur für das o.g. Urteil, nicht die szenische Dramaturgie):
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 17.04.2015 – 28 Ca 2405/15

Über Liz Collet

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5 Antworten zu „Du willst Mindestlohn? Die Kündigung kannst Du haben!“

  1. Wunderschön dargestellt! Wahrscheinlich leider wahr … Lieben Gruss, Jenni

  2. Liz Collet schreibt:

    @friedefreudeundeierkuchen / Jenni: Danke für das Feedback. Ich fürchte es wird beim Mindestlohn und ganz besonders bei Minijobs viele geben, die Ähnliches erleben. Wer ohne wenigstens Minijob oder Minijob zusätzlich zu seinem anderen Job seine Miete nicht zahlen kann, hat wenig Spielraum, ihn zu riskieren. Minijobber sind zu leicht austauschbar. Erst recht, wenn Läden oder andere Unternehmen praktisch nur Minijobber neben maximal 1-2 Arbeitskräften in Teilzeit oder Vollzeit beschäftigen: Einen Minijobber rauszuwerfen und bis für ihn Ersatz da ist, lässt sich leicht auffangen, in dem die anderen Minijobber mal ein paar Stunden mehr arbeiten. Die lernen gleich, wie schnell man rausfliegt und ersetzt wird – und werden sich nicht wehren gegen Mehrstunden, die sie bekommen, weil einer gekündigt wird. Meiner Meinung nach zerstören Minijobs mehr an Arbeitsplätzen, als sie schaffen, von denen oder mit denen man als Nebenjob leben kann von Arbeit.

  3. alphachamber schreibt:

    Folgen des (sozial-) staatlichen Interventionismus. Wenn der Staat übernimmt, wird von ihm verlangt – einfach.

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