Bei Wasser und Brot – der eigentliche Skandal hinter „dem“ Prozess und den Türen des Justizpalastes in München

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Justizia © Liz Collet

Ich wollte ja eigentlich zu diesem hysterischen Hype um „den“ Prozess nichts schreiben.

Regelmässige Hereinblinzler wissen, warum. Die anderen finden es, wenn sie den Namen eines Wurschtfabrikanten und Fussballpräsidenten in der Suchmaske des Blogs eingeben.

Daran hat sich nichts geändert, im Gegenteil.

Denn wenn es inzwischen schon journalistisch (vermeintlich) interessant oder naheliegend ist, die dabei zu klärenden strafrechtlichen Vorwürfe und Taten in den Kontext zu rücken, dass diese andernorts, zu anderen Zeiten mit dem Häuten (sic!!) des Delinquenten bestraft worden wären, nachdem dem Betreffenden ohnehin bereits seit Bekanntwerden seiner Selbstanzeige medial und öffentlich schier die Haut abgezogen wurde, die dann zu Markte getragen werden kann, um Quote und Auflage zu machen, widerstrebt es mir persönlich mit jeder Faser, mich einzureihen in jene, die damit ihre Clickrate und Tweets aufmerksamkeitssteigernd höhertreiben. Wenige mediale Beiträge darunter, die noch halbwegs den Fokus der rechtlich relevanten und entscheidenden Aspekte darstellen, gehen in der Masse derzeit unter und interessieren nur einen kleinen Prozentsatz der Öffentlichkeit, bei der pro oder contra Antipathien und Sympathien nicht wenig dazu beitragen, welche Strafe sie für angemessen ansehen. Oder wie sie hinterzogene Steuermillionen besser angelegt hätten sehen wollen, die sie verteilen, als gehörten sie ihnen höchstpersönlich. Nicht wenige darunter, die selbst wenig an steuerpflichtigem Einkommen erarbeiten, das sie selbst in die steuerliche Solidargemeinschaft abgeben. Aus der sie aber gern nehmen. Während sie mit Steinen werfen, rund um die Uhr online, ………..weil man ja Zeit hat. Machen Sie sich mal Gedanken, wer und wo und wieviele erstaunlich viel Zeit haben, minütlich zu zwitschern, posten, liken und Häme und Humor (oder was sie darunter verstehen, in Bild und Texten) an die Pinnwände der medialen Pranger zu heften.

Abgesehen davon:

Es gibt Prozesse, die unverzichtbar sind, auch angemessene strafrechtliche Verurteilung, wo das Recht sie verlangt und auch das Gerechtigkeitsdenken des Volkes, in dessen Namen es gesprochen wird sich darin wiederfindet. Weil auch das zur Rechtstreue eben der anderen beitragen soll. Und wo diese im Einzelfall nicht eingehalten wurde, auch die Rückkehr zu dieser, wiederhergestellt werden soll und kann.
Es gibt Fälle, die viele, rechtlich wie menschlich, gesellschaftlich wie politisch und rechtspolitisch offene, noch ungelöste, noch nicht in der Rechtsprechung vorgekommene Fragen berühren und lösen müssen.
Ungelöst ist im aktuellen Prozess und weitgehend in den Medien nicht erkannte Frage, die erst mit dem Urteil allmählich wahrgenommen wurde in der eigentlichen Bedeutung: Kann eine misslungene, aber – und sei es unter Druck – nicht formal perfekte Selbstanzeige dennoch strafbefreiend sein, wie weit ist ihr mindestens Milderungsrahmen eröffnet beim Strafmaß?

Wenn fokussiert wird auf die Frage, dass diese nicht mehr freiwillig genug, weil unter Druck der Entdeckung unternommen worden sei, wird vernachlässigt, dass es justament der Druck ist, den Gesetzgeber und Politik selbst einsetzen, um die Selbstanzeige als Weg zur Rückkehr wahrnehmen zu wollen. Deswegen und zu diesem Zweck sieht der Gesetzgeber, die Politik, die Praxis es als legitim an, Daten-CDs zu Steuersündern anzukaufen, die davon vielleicht,vielleicht nicht Betroffene unter eben solchen Druck setzen, das Risiko abzuwägen und sich lieber den Weg der Selbstanzeige zu suchen und zu gehen, als vielleicht oder vielleicht nicht ohnehin erwischt zu werden. Der Staat will materiell(-rechtlich) das Geld erlangen, das ihm entgeht als Steuereinnahmen und gibt damit formal und formell-rechtlich das Strafverfolgungsprinzip und den Strafanspruch preis. Zum Preis des Verzichts auf Strafe. Formalrechtliches geringer gewichtet als materieller Gewinn und Ertrag. Und setzt dafür unter Druck auch mit nicht so ganz formal unumstrittene Beweis-Mittel mit angekauften Steuer-CDs. Unter Druck sollen Selbstanzeigen interessanter sein. Unter Druck und Zeitdruck machen Menschen aber auch mehr Fehler.

Wenn diese Fehler dazu führen, dass es letztlich entscheidend ein Formfehler sein soll, der die materiell-rechtlichen, inhaltlich erforderlichen Angaben und Informationen der Selbstanzeige gleichwohl völlig in ihrer Entlastungsfunktion jeden Wertes für Strafe oder wenigstens Strafzumessung entwertet, was für ein Signal, welche rechtspolitische Wirkung hat dies dann für den eigentlich gewollten Zweck der Selbstanzeige als Rechtsinstrument? Einen förderlichen oder einen kontraproduktiven?

Der Staat kann Formfehler beispielsweise in Verwaltungsakten auf unterschiedliche Weise „heilen“ und ihre eigentliche Unwirksamkeit damit beseitigen. Um dem eigentlich materiell-rechtlich gewolltem Sinn und Zweck eines Verwaltungsaktes gegen den Bürger dennoch Wirkung und Wirksamkeit zu verschaffen.
Ist es nicht auch ein Gebot des Rechtsstaates, umgekehrt nicht mit dem groben Augenmaß, sondern sehr feinJUStiert zu bewerten und zu beurteilen, wann bei der Anwendung des besonders scharfem Rechtsinstrument des Strafrechts dem formalen Element eine alles entscheidende Vorrangstellung gegenüber dem inhaltlich, materiell-rechtlichem Sinn und Zweck zugeordnet werden kann?

Das – ist eine der wirklich spannenden Fragen im Zusammenhang von Selbstanzeigen, die über den aktuellen und konkreten Fall und Prozess hinausgeht. Und es wäre zu wünschen und abzuwarten, ob der BGH eine Revision im aktuellen Verfahren zum Anlass nimmt, diese zu behandeln, zu entscheiden – und wie er diese dann entscheiden wird. Oder ob er sie – wo und wenn verfahrensrechtlich möglich – vermeidet und eine Revision „aus anderen Gründen“ bereits scheitern lassen könnte. Obgleich eine Klärung dieser Frage erheblich dazu beitragen könnte, der Anwendung und dem legislativ gewünschtem Zweck des Instruments der Selbstanzeige Unterstützung zu leisten.

Leider aber sind diese und andere rechtlich wirklich interessanten und vertiefenswerten Fragen nicht so spannend zur Quoten- und Auflagensteigerung, wie das Häuten von prominenten Steuersündern oder ob diese demnächst in der gleichen JVA sitzen werden, wie unrühmliche historische Figuren vor deren Ambitionen 1000-jähriger Reiche und andere seltsame Auswüchse der Medien und medialen und „sozialmedialen“ Meinungsbildung.

Sie gehen schlicht dahinter beinahe unter.

Ebenso wie – halten Sie sich bitte fest, Sie werden jetzt sehr stark sein müssen  – die wahren und eigentlichen Skandale, die uns vom investigativem Teil der Journaille berichtet werden und die sich hinter den Türen des Münchner Justizpalastes bei diesem Prozess abspielen. Und nur durch das wagemutige Berichten eines einzelnen Journalisten aufgedeckt werden konnten, der dem Tode durch Hungertyphus und Sonnenlichtentzug trotzend noch die Kraft fand, das zu enthüllen. Im  Live-Ticker des BR zu lesen:

„Pause im Hoeneß-Prozess. Kurz vor der Urteilsverkündung gegen 14 Uhr berichtet BR-Gerichtsreporter Peter Kveton von der Stimmung:

Bei Wasser und Brot werden die anwesenden Reporter und Zuschauer im Hoeneß-Prozess gehalten. Das Verfahren ist zwar unterbrochen, wer aber den Gerichtssaal und den Vorraum verlässt, verliert automatisch seinen Sitzplatz.

Zur Verpflegung werden belegte Semmeln zu einem Euro fünfzig angeboten, stilles Wasser gibt es aus dem Wasserspender, sonst nichts. Auch echtes Sonnenlicht können nur diejenigen erhaschen, die sich unter die an den Fenstern heruntergezogenen Rollläden setzen. Dabei soll es draußen schön sein… Der Unmut unter den Journalisten ist groß.“

Entsetzlich. Folter. Einschüchterung der Presse? Gefährdung der Pressefreiheit? Wie immer in Bayern? Wo Journalisten sonst eigentlich nicht eingeschlossen werden, sondern rausgeworfen?

Fassungslosigkeit bei solchen Meldungen?

Hallo? Wie ticke[r]n denn bitte manche Journalisten? Erwarten diese auch noch zum Essen eingeladen zu werden, 3 Gänge Menü? Wer sich für solche Situationen vorher nicht versorgt, ist selbst schuld. Kräht sonst der Journalismus nicht immer was von „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing’…!??!?“ Und was von Unabhängigkeit der Berichterstattung und dem 4. Kontrollrädchen der Gewalten auch gegenüber Justiz? Und wer belegte Semmeln verschmäht, kann so hungrig wohl nicht sein. Sorry BR, aber sowas ist wirklich no go.

Arbeitet der besagte Herr sonst bei irgendwelchen Marketingveranstaltungen von Auto- und anderen Unternehmen, bei denen Journalisten auch noch zum Futtern eingeladen werden, wenn sie über die Veranstaltung berichten – gaaaaaanz unabhängig und ohne jede unsachliche Beeinflussung beim Futtern dortiger Buffets über vorgestellte Produkte natüüüüüürlich – oder wie? Oder wie kommt man auf die Idee, als Journalist sich in die Tickertastatur mit solchen Tickermeldungen zu verbeissen?

Aber vielleicht liegt es daran, dass ich – auch als Anwältin – zu keiner Zeit je auf die Idee gekommen wäre, dass ich selbst bei ganztägig andauernden Verhandlungen im Schwurgericht oder sonst an den Münchner oder anderen Gerichten, auf die Idee verfallen wäre, dass mir oder den Richtern oder anderen Organen der Rechtspflege irgendwelche Gerichte zu servieren gewesen wären. Weder kostenfrei, noch gegen Kostgeld. Nicht einmal Wurschtsemmerl. Und eine gute Wurschtsemmel für 1,50 Euro wäre – en passant bemerkt  – bei den Preisen rund um den Stachus und den JuPa und nicht nur verglichen mit Fast Food Papp“semmeln“ eine durchaus nette Verköstigung. Köstlich, was Journaille sich so zusammenträumt. Aber vielleicht liegt es – wie gesagt – an mir. Und ich habe bislang die mit dem Beruf des Journalisten einhergehenden gott- äh…berufsgegebenen berechtigten Erwartungen und mit dem Beruf verbundenen und ihm geschuldeten kulinarischen Leistungen völlig verkannt? Augen auf bei der Berufswahl? Gebt ihnen gutes Essen für gute Presse? Äh…. gute PresseARBEIT, natürlich? Ein Schelm, wer hinter jeder Wurschtsemmel Böses ahnt, gar eine Haltung der Justiz, die man deuten könnte wie: Ist uns wurscht, wenn die am langen Arm Justizias auf ihrem Sitzplatz verhungern? Wenn’s uns eh dauernd eine reinsemmeln, mit ihren Justizschelten, dann gibt’s eben auch nix anderes als eine reingesemmelt, mit Wurschtsemmeln. Und die zahlen’s auch. Von wegen: Richterliche und nicht nur presserechtliche Freiheit und Unabhängigkeit nämlich. Wir füttern die doch nicht auch noch durch……… während die ihre Medien füttern mit Juristenschelte.

Wie gesagt: Ein Schelm, wer solches denkt.

Während man doch eigentlich erschüttert, fassungslos sein muss. Ob solcher Zustände in der bayerischen Justiz, als sei diese noch immer eine echte Folterkammer. Wasser. Wurschtsemmeln, die wie trocken Brot runtergewürgt und gar noch bezahlt werden müssen und nicht mal Musi zur Folter bei der peinlichen Befragung und deren Pausen.

Ach, …………dabei waren DAS doch noch luschtige Zeiten, zu Zeiten der Peinlichen Gerichtsordnung, der Carolina , als Eiserne Jungfrauen ihre Zeit hatten und Räder, auf denen singend die zu Verhörenden geflochten wurden —- nur :da hatte die Journaille noch gar nix zu sagen. Schon gar nicht zu singen, während die auf der Streckbank liegenden und nicht vor der Richterbank sitzenden oder stehenden Menschlein nicht zwitschern, sondern  singen sollten. Nicht Lieder derer, deren Brot sie futterten.

Pressefreiheit war da noch Fremdwörtchen und vermutlich wären sie dann schlankerhand auch mal eben gevierteilt und nicht gefüttert worden, in dem Land, in dem die Vierteilung erst bisserl später auch die demokratischen Gewalten mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung erreichte. Und die Presse als viertes neben den drei anderen Raderln am Wagen der Demokratie auch mit darf.

Vielleicht geht ’s der Journaille nicht zu schlecht, sondern – ein bisserl – zuuuu gut, wenn sie solche Erwartungshaltung hat  und in Empörungstickern Ausdruck verleiht?

Frag mich mal einer, wo ich mein Essen herbekam, wenn ich im JuPa oder anderen Gerichtsgebäuden stundenlang verhandeln musste. Da nimmt man sich halt was mit- und wie lang solche Sensationsprozesse dauern, ohne dass man feudal spachteln gehen kann, das weiss man vorher…. Nur investigativer Journalismus weiss das nicht?

Dabei – konnten die Herrschaften der Presse nicht an einem eigens noch vor dem Wochenende anberaumten Termin am JuPa schon mal guggen, wie sie sich organisatorisch fit und kulinarisch versorgen könnten?

Hätte ich nicht ernsthaft Sorge, als „Sarah Wiener der Justiztruppe“  bezeichnet zu werden, wenn ich mir ein „fliegendes Cateringswagerl“ organisieren würde, um nicht wie jene ungelernte Köchin Filmteams zu verköstigen, sondern die offenbar mindestens für die Presse bestehende Food- und  Marktlücke  zu schliessen, die sich da auftut…………….ich würde vielleicht in Versuchung kommen für einen klitzekleinen fahrbaren Cateringservice: „Lizerls Justizschmankerl: Für Mitglieder der Presse mundgerecht in Häppchen serviert“?

Die wären allerdings dann sicher  nicht für 1,50 wie die Wurschtsemmeln zu haben…………

Schon weil sie so hübsch kombinierbar wären mit einem am Cateringwagerl montiertem Liveticker-Gerät, in das gleich noch von mir das Geschehen der Prozessverläufe lieferbar wäre. Exklusiv. Und mindestens die dazu erforderliche §§-Kompetenz würde mir einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Sarah Wiener verschaffen………… 🙂

Vielleicht aber sollte ich stattdessen etwas anderes in Betracht ziehen…………

*Liebes Tagebuch:

Ob ich mich mal beim BR als Prozessberichterstatterin bewerben sollte?
Skill-Check:

Juristische Fachkompetenz : vorhanden.

Kompetenz, Texte in die Tasten und Liveticker zu jagen: Aber sowas von vorhanden.

Fähigkeit, mich während der Prozesstage ohne Risiko zu verhungern, leistungsfähig und heiter zu erhalten: Ohne Zweifel vorhanden.

Risiko , Mangel an Sonnenlicht während des Aufenthaltes im JuPa zur Gesundheitsgefahr zu skandalisieren und zur Sensationsmeldung im Liveticker zu machen? Keine Gefahr.“

Wir Frauen ticke[r]n vielleicht einfach anders.  Oder hat schon mal jemand Gisela Friedrichsen sich über ein Wurschtsemmerl oder nicht journalistengerechte Verköstigung beschweren hören, während sie über die Gerechtigkeit und Gerichtsverfahren tippte?

Wie war gleich noch die Telefonnummer für die Personalabteilung beim BR? Muss mal ernsthaft guggen gehen………….;-)

Ni X für U ngut.

Starten Sie heiter, gut gefrühstückt und gestärkt in die Herausforderungen Ihres Tages und Berufs. Und —- nehmen Sie sich was Gutes für die Mittagspause mit.  Ich kann schliesslich nicht überall sein……….. 😉

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Über Liz Collet

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